Bernd Haussmann, amerikanischer Idealist mit schwaebischen Wurzeln-Ein Licht-und Schattenriss
...In Platons Hoehlengleichnis bleiben die Menschen lieber in der Hoehle. Aber braucht man nicht Licht und Dunkelheit, Aufklaerung und mystisches Dunkel, Wieland und Hoelderlin? Koennen wir die Welt ueberhaupt jemals erkennen, im Licht oder im Dunkel, wenn unser Verstand doch nur ein Spiegel ist, zudem die Wirklichkeit seitenverkehrt wiedergibt? Ist die Natur nicht sowieso, Wieland und anderen zufolge eins und ganz?
Der Katalog...erweitert den gedanklichen Rahmen in verschiedene Richtungen, denn nicht alle Kunstwerke konnten im Komoedienhaus gezeigt werden. Er ist, noch staerker und eindeutiger als die Ausstellung, ein Wort-Bild-Kunstwerk; Haussmann meditiert im Vor-Wort, ueber das Verhaeltnis von Wort und Bild, Ein- und Ausbildungen, den 'spannenden, lebendigen Vielklang' beider. Der Katalog stellt Werke und Gedanken, Skizzen und Fragmente zusammen.
Heraklit raunt alles fliesst -panta rhei; Aristoteles meint, die Natur sei immerwaehrend schoepferisch -natura naturans; Shakespeare, wir seien aus solchem Stoff wie Traeume, unser kleines Leben umgeben von einem grossen Schlaf (wir traeumen im Dunklen und meinen im Hellen zu leben). Der mittelalterliche Philosoph Hrabanus Maurus fordert auf, ein Licht im Verstand anzuzuenden - aber Kant warnt, wir koennen auch im hellsten Licht der Vernunft nicht das wahre Wesen der Dinge erkennen! Lao-Tse scheint sich ueber unser einseitiges westlich-logisches Denken lustig zu machen; der Weg ins Licht sei natuerlich dunkel, alle Wege vorwaerts fuehrten rueckwaerts, und Reinheit sei ebenso befleckt wie Klarheit trueb! Fichte: die Philosophie sei nicht das Leben selbst, sondern nur sein Bild; Novalis: der Mensch suche ueberall das Unbedingte, aber finde immer nur Dinge; Hoelderlin beschreibt die immergleiche exzentrische Bahn, die der Mensch immer wieder durchlaeuft, vom Ideal der hoechsten Einfalt hin zu Ideal der hoechsten Bildung - und zurueck und hin. Wieland schliesslich: 'Die Natur und unser eignes Herz sind gleichsam die Tafeln, in welche Gott seine unwandelnbaren Gesetze mit unausloeschlichen Zuegen eingegraben hat'- 'Die Stimme der Natur laesst sich nicht ueberschreien'- sei wenig bekanntes Jugendwerk, Die Natur der Dinge: 'Im Schooss des ew'gen All / wohin kein Blick kann dringen, Sprosst, warm von eignem Feu'r, / der Keim von allen Dingen'.
...Fuer Haussmann war zuerst das Bild, naemlich der Turm, bis es dann zum Wort fand, naemlich der Dichtung von Hoelderlin. Worte jedoch werden leicht verdinglichend. Hat man ein Wort, meint man die Sache zu haben. Aber man hat hoechstens ein Bild der Sache, eine sprachliche Aus-Bildung dessen, was am Anfang Ein-Bildung war (ein Spiegel-Bild?). Alternativ waere da noch Faust, der mutmasste, am Anfang sei die 'Tat' gewesen. Bei dieser biblischen Grundfrage handelt es sich letztlich um ein Uebersetzungsproblem: Am Anfang sei naemlich im griechischen Urtext der logos gewesen, was nun definitiv mehr und anderes als das Luther'sche Wort sei. Gibt es denn ein Anfang und ein Ende? Die Ausstellung weist darauf hin, dass das eine Illusion sei und Leben, Kunst, Natur vielmehr ein immerwaehrendes Beginnen und Enden sind? Das Werk braucht aber einen Anfang. Woraus keimt Haussmanns Kunst, was ist die erste Idee, die Initialzuendung, die, in klassischen Worten gesprochen: Inspiration Der Kuenstler laesst sich finden, so heisst es taoistisch angehaucht im Katalog; er laesst sich finden vom Bild, er sucht es nicht: 'Ich verlasse mich und finde das Bild', so steht dort. Haussmann ist, das macht das im Katalog abgedruckte Interview mit Ulrich Haegele von der Universitaet Tuebingen klar, ein Idealist, in einem durchaus romantischen Sinne: die Natur ist identisch mit dem grossen Zusammenhang von Allem mit Allem, letztlich nur ueber eine spirituelle Erfahrung zugaenglich, nicht durch eine einseitig verstandene Aufklaerung des Verstandes. Offen sein, nicht wollen, das ist der Imperativ auch fuer die Betrachter
Ph.D. Jutta Heinz