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Bernd Hausmann und seine Kunst der "Um-Welt"
24. Dezember 2008
von Ulrich Hägele

Bernd Haussmanns Kunst ist abstrakt. Sie setzt sich allerdings mit dem auseinander, was man im Allgemeinen als konkret bezeichnet: der Umwelt. Der Künstler entwickelt in seinem Werk eine organische Abstraktion, die den Ursprüngen der Welt und der Natur auf der Spur ist. "Um-Welt" repräsentiert für Bernd Haussmann zweierlei: eine geographisch-biographische Komponente im klassischen Sinn und eine metaphorische Abstraktion. Beiden Kriterien widmet er sein Schaffen.

Innen, Außen und in die Tiefe Hausmanns Bilder transformieren die metaphorische Abstraktion in dreifacher Weise auf den Künstler und auf uns Betrachter: integrativ, sinnstiftend und authentisch. Zunächst ist es eine Form von Integrität mit der Natur an sich: Denn wir sind alle Lebewesen dieses Planeten und insofern untrennbar mit den natürlichen Ressourcen verknüpft. Haussmanns Anspruch ist es, dass wir unsere Umwelt als Lebensgrundlage und Verpflichtung sehen, sie auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Sodann schafft er sich mit seinem Werk eine eigene Identität, die ihn als Teil der Umwelt zu erkennen gibt. Seine Intention besteht aber auch darin, mit den Bildern bei den Betrachtern Sinnstiftungen hervorzurufen: Wenn wir uns seine Bilder anschauen, können wir leicht Bezüge zu unseren eigenen "Umwelten" herstellen. Im Weiteren markiert Umwelt für Bernd Haussmann eine Form der Authentizität, nämlich die Verpflichtung als Künstler "echt" zu sein. Echtheit bezieht er auf sein Verhältnis zur Umwelt und zur Malerei. Authentisch zu arbeiten bedeutet für ihn Erdung – die Welt wahrzunehmen und Sensibilität gegenüber jenen Veränderungen zu entwickeln, die wir Menschen verursachen. Schließlich versieht Bernd Haussmann den Begriff Umwelt mit einem Bindestrich: "Um-Welt" hat für ihn eine ganzheitlich-atmosphärische Funktion, die man am ehesten mit Milieu umschreiben könnte. "Jetzt ist dieses eine Bild entstanden und hängt bei einem Sammler an der Wand. Meine Neugier ist nun, wie die Umwelt dieses Bildes die Umwelt des Betrachters beeinflusst und wenn sie das tut, wie die Umwelt dieses Bildes über den Betrachter vielleicht sogar die Umwelt der Natur beeinflussen könnte." "Um-Welt" ist für Bernd Haussmann das Innen und Außen, aber nicht so sehr der Raum, sondern viel mehr das Geistige und mit der Seele Verwandte – jene Faktoren also, in denen unserer Leben und damit unser Dasein auf der Welt begründet liegt. "Um-Welt" ist für den Künster eine konstruktivistische Motivation, wie sie von dem Naturphilosophen und Biosemiotiker Jakob Johann von Üxküll beschrieben wurde. Insofern, als jedes Individuum seine "Um-Welt" anders wahr nimmt, wir aber als Menschen unsere Umwelt miteinander teilen genauso wie mit anderen Spezies der Erde, den Tieren und Pflanzen. Für den Künstler besonders reizvoll sind vor allem die Fixpunkte, jene Stellen, in denen sich Umwelten treffen und vielleicht überschneiden. Bernd Hausmann ist ein Sucher und der Weg ist sein Ziel. Dementsprechend geht es ihm nicht so sehr um die Entdeckung, sondern darum, den mitunter steinigen Weg zu erkunden, der zum Finden führt. In seinem Arbeitsprozess schaut er rechts und links des Weges, erklimmt Anhöhen, blickt in manchen Abgrund seiner "Um-Welt" und entdeckt so laufend neue Pfade, die noch nie beschritten wurden. Mithin könnte man ihn auch als Archäologen bezeichnen. Er gräbt allerdings nicht in die Tiefe, sondern er schält auf seinen Bildern in stratigraphischer Umkehrung Sinnschicht für Sinnschicht heraus. Hausmann trägt Farbe auf und verwirft das Ganze, um sogleich aufs Neue zu beginnen. Seine Acrylbilder und Mischtechniken sind Projekte, die in einem komplizierten Vorgang entstehen. Das Ergebnis freilich bleibt offen und liefert der Interpretation mannigfaltigen Spielraum. Indem Bernd Hausmann den steinigen Weg vorzieht, der zunächst kein Ziel erkennen lässt, gibt er sich als ein Künstler zu erkennen, dessen eigentliche Inspiration die Umwelt ist. Haussmann beherrscht es meisterhaft, Farbe, Form und Komposition in Einklang zu bringen. Durch einen diffizilen Prozess des Farbauftrags verleiht er seinen Bildern ein dreidimensionales Moment, schafft auf seinen Leinwänden, Aluplatten oder Gummiflächen wunderbare Bild-Skulpturen, die die Kraft eines Chamäleons besitzen. Je nach Stimmung können sie changieren und ihre Wirkung auf die Umwelt entfalten. Von Augenblick zu Augenblick, von Tag zu Tag und Jahreszeit zu Jahreszeit erzählen sie uns neue Geschichten, die wir uns selbst nie hätten ausdenken können. Bernd Haussmanns Kunst fügt sich nicht so leicht in eine der gängigen Kategorien ein. Steht man vor einem seiner großen abstakten Bilder oder einem Beispiel aus den Serien "The Nature Of Things" und "Walking In The field", so ist man überrascht, wie sehr die Bilder in sich ruhen. Sie haben eine beinahe klassisch anmutende Monumentalität, die uns glauben macht, Bild und Motiv existierten bereits in einer Zeit weit vor unserer Vorstellungskraft. Seine aktuellen Acrylbilder, die auf Leinwand, Holz, Papier oder Aluminium gebrachten "Fugen" sind kaum ohne die früheren Arbeiten eines mittlerweile über 2.200 Nummern umfassenen Œuvres zu verstehen.

Kunst als Meditation Bernd Haussmann siedelte im Jahr 1990 der Liebe wegen von Deutschland in die USA um. Den Beginn seines künstlerischen Schaffens in den USA markierte die "Sienna"-Reihe, rötlich gehaltene Flächen, die Raum für verbildlichte Fußnoten beinhalteten. Daraus entwickelt er urwüchsige, der Natur entlehnte Formen wie Muscheln und Fische. Die "Sienna"-Serie zeigt archetypische Mechanismen, die – als Reminiszenz an seine alte Heimat Europa – auf frühe Kulturen verweisen, etwa die Höhlenmaler Südeuropas oder auf altägyptische Schriftzeichen, die längst vergessen wieder entschlüsselt werden müssen. Malen ist für Bernd Haussman ein meditativer Akt, der bisweilen unbewusste Energien freizusetzen pflegt. Traumwandlerisch entwickelt er seine emblematischen und zeichenhaften Formen. Über den Prozess des Malens kommen neue Teile hinzu, werden wiederentdeckt oder neu erfunden. Aus der "Ganandagan"- Serie, kompositorisch dominiert von einem Körper in Schalenform, den Umrissen eines Elypsenausschnittes, kreierte der Künstler Mitte der 1990er Jahre seine Vasen und Krüge. Wieder erfahren wir eine den Bildern ureigene Monumentalität und Erhabenheit, die ebenso bei den kleineren Formaten spürbar ist. Erkennen lassen sich Anklänge an die klassische Antike – etwa im archaischen Motiv der Vase selbst oder einigen beigeordneten Körpern, wie dem Fragment einer dorischen Säule. Die bevorzugten Erdfarben deuten auf die Wunschheimat Italien. Der Künstler Bernd Haussmann möchte sich, wenn es um Vergleiche, Bezüge und ikonografische Traditionen geht, ungern auf konkrete Persönlichkeiten festlegen. Manche sehen in ihm Anklänge an große Vorbilder wie Rothko, Tapiès oder Morandi. Er selbst sieht eine Wahlverwandtschaft vor allem mit Joseph Beuys. Dessen Verständnis von Kunst beinhaltete stets die Dichotomie zwischen dem kreativen Schaffen auf der einen und der Verbindung zur Natur, zur natürlichen Umwelt, auf der anderen Seite. Aus diesem Credo speist Bernd Haussmann seine Impulse. In einer neueren Serie beruft er sich auf Hatsushika Hokusai. Das Leitmotiv stellte hier allerdings weniger die fragil wirkenden Werke des berühmten japanischen Holzschneiders und Zeichners dar. Was ihm an Hokusai beeindruckt, ist in erster Linie dessen Rechtschaffenheit als Künstler – des zurückgezogenen Daseins auf der Welt, das die Fähigkeit zur Kunst mit dem lebenslangen Handeln in Demut verknüpft. Hokusais Kunst war authentisch und stilistisch keinen Moden unterworfen. Der Meister des Pinselstrichs sah sich Zeit seines Lebens nicht so sehr als Künstler, sondern vielmehr als bescheidener Landarbeiter, der den Weg zum künstlerischen Ausdruck zwar eingeschlagen hatte, für den der Zielraum der Virtuosität aber allenfalls in der Vorstellung existierte – Kunst als Ideal aller Bestrebungen und Sinngebung des artistischen Antriebs an sich. Die Inspiration lediglich in der Malerei zu suchen, lieferte, wenn es ums Verstehen geht, ein fragmentarisches Bild. In den vergangenen Jahren beschäftigte sich Bernd Haussmann mit der Musik des Barock, darunter vor allem mit Johann Sebastian Bach. Im Werk und in der Persönlichkeit des Komponisten sieht der bildende Künstler den Ausdruck der größten Freiheit. Bachs Musik besitzt zugleich feine Strukturen und sie verströmt Note für Note ihre Emotion. Genau diese Merkmale nutzt Haussmann, indem er sie mittels Variation, Interpretation und spontaner Improvisation für sein eigenes Schaffen transformiert. Seit 2004 sind mehrere Serien von Bildern entstanden, die jeweils den Titel "Fugen" tragen. Noch nie in seinem Werk hat Haussmann einen so hohen Grad an Abstraktion erreicht. Formal sind die Bilder reduziert auf das Wesentliche: gedeckt aufgetragene Farben, öfters Blau und seltener Rot kontrastieren mit Schwarz- und Weißtönen, wobei die reiche Modellierung bisweilen fast körperlich erscheint. Die "Fugen" besitzen eine organische Kraft, die sich aus der schier unendlich weit reichenden Formensprache Bernd Haussmanns ableitet. Er legt darin ein kompositorisches Können an den Tag, das variantenreich auf verschiedenen Trägermaterialien zum Ausdruck kommt: Mal verwendet der Künstler Aluplatten, mal Leinwand; mal entwickelt er seine Bildkreationen auf Holz um dann wieder zum Papier zu wechseln. Je nach Untergrund entfalten die "Fugen" eine sehr spezifische Wirkung auf ihre Umgebung und den Rezipienten.

Geistiger, künstlerischer Einklang in der Natur Einen stärkeren Effekt von innen heraus, intendieren die "Ghost Paintings". Der Titel der von 2004 bis 2005 entstandenen Serie hat allerdings nichts mit Geistern zu tun, sondern mit Erinnerungen und Visionen. Haussmann spielt auf das eigene Gedächtnis an, auf Traumbilder, die, sofern nicht schriftlich festgehalten, rasch wieder in die Tiefen des Unbewussten versinken. Der Künstler hält diese ins Visuelle übertragenen Gebilde auf der Leinwand fest. Manchmal entstehen daraus vage Andeutungen, in etwa so, als ob man aus einem Traum erwacht, von dem dann in der Erinnerung nur das Bruchstück eines Gefühls zurückbleibt. Haussmann interessiert besonders, wie Auge und Verstand aus ein paar Informationsfetzen ein Bild kreieren. Wieder ist die Farbe sehr zurückhaltend aufgetragen – vorherrschend ist eine graue, braune oder ins weißliche gehende Tönung. Fast hat man den Eindruck, eine monochrome Fläche vor sich zu haben, auf der sich sehr dunkle und in bisweilen lasziver Anmut übereinander gelegte Schlingen befinden. Hausmann variiert aber auch hier und gibt dem Hintergrund eine sanfte, mitunter rötliche Kolorierung. Eher im biographischen Zusammenhang sind die Bilder aus der Serie "My Secret Work" zu verstehen, denen sich Bernd Haussmann seit 2002 widmet. Die Idee rekurriert auf einige sehr frühe Projekte, die zu der Phase des Experimentierens im künstlerischen Werdegang zu zählen sind. In den 1980er Jahren arbeitete Haussmann unter anderem seriell mit dem Medium Fotografie, in Anlehnung an die visuellen Echtzeit-Inszenierungen von Fluxus und Pop Art. Für Haussmann stand schon damals allerdings weniger der Effekt, als vielmehr der Kontext des Entstehens im Mittelpunkt. "My Secret Work" hat auch einen unmittelbarem Bezug zur "Hokusai"-Serie. Denn so wie der japanische Altmeister Kunst als einen lebenslangen Prozess der Aneignung verstanden hat, als eine menschliche Gabe, zu deren Entfaltung lange Jahre der Praxis und des stetigen Lernens erforderlich sind, empfindet auch Bernd Haussmann das Hauptmerkmal seiner Kunst: das immer weiter Voranschreiten und Streben nach geistigem und künstlerischem Einklang – nach dem authentischen, in sich selbst ruhenden Werk. Da sich diese Kunst idealerweise aus dem innersten Ich heraus schält, birgt sie für den Künstler wie für den Betrachter so manche Geheimnisse. "My Secret Work" ist eine Geste, erscheint bisweilen dynamisch und dabei wie zufällig, aber dennoch strukturiert. Die Bilder sind visualisierte Improvisationen. Insofern konterkarieren sie die von Bach inspirierten und von vorneherein konzeptionell fixierten "Fugen": als eine Art Street-Work-Jazz mit einem offen gehaltenen, weil improvisierenden Duktus. Genau mit diesem Verständnis sind seine Arbeiten auf Papier zu lesen. Bei den Mischtechniken handelt es sich allerdings nicht etwa um einfach spontan aufs Blatt geworfene Notizen oder Gedankenbilder. Sie sind vom übrigen Werk völlig unabhängig. Die im Vergleich zu den monumentalen Acrylbildern sehr viel kleineren Papierformate erlauben Haussmann eine gewisse Intimität in der Auseinandersetzung: "Ein großes Bild ist physisch ein ganz anderer Akt. Das unterscheidet die kleinen Arbeiten von den großen." Zudem sind die Papierarbeiten anders zu handhaben: Sie lassen sich leichter herumtragen, sie entstehen auf der horizontalen Ebene eines Tisches oder einfach auf dem Fußboden und nicht wie die Ölbilder auf der vertikalen Staffelei. Die Arbeit mit den kleineren Papierformaten erfolgt parallel zum übrigen Werk mit den selben Materialien, Farben und Hilfsmitteln. Für Haussmann dienen diese "Zeichnungen", wie er sagt, zur Entspannung und zur Fokussierung seines Blicks. "Kunst kommt aus dem Kopf und aus dem Geist und kann nie objektiv sein." Diese Antwort erhält man von Bernd Haussmann auf die Frage nach den Mechanismen seines künstlerischen Antriebs. Es sind "Subjective Environments", die unterschiedlichen Sehweisen, Blickwinkel und Gedanken, mit denen der Betrachter seinen Bildern begegnen kann und die dem Künstler besonders am Herzen liegen. Haussmann lässt Spielräume in der Wahrnehmung für Andere und sieht dabei für sich selbst die größte Herausforderung: "Meine Idee ist es, das Geistige mit dem Visuellen zu verbinden und durch die Abstraktion neue Dinge aus der Natur heraus zu erfinden, die ich so noch nicht gesehen habe." Der Künstler will den Rezipienten dazu aber nicht in ein vorgegebenes Denkschema zwängen. Seine Bilder liefern Vorschläge und schaffen die Sensibilitäten für weitergehende Erfahrungen.

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